Aus Anlass des 150. Geburtstages von Paul Nipkow veröffentlichen wir
noch einmal den lesenswerten Artikel von Irmtraud Holzinger
über den grossen Sohn unserer Stadt Lauerburg, den „Vater des Fernsehens“

Paul Nipkow

Dieser Artikel ist bereits in unserer Festschrift „50 Jahre Partnerschaft“ 1955 – 2005 erschienen
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass die Stadt Lebork,
wie Lauenburg ja heute heisst, am 22.August 2010 ein grosses Fest
aus diesem Anlass feiert. Falls Sie für dieses Jahr eine Reise in das „Blaue Ländchen“ planen,
merken Sie sich bitte diese Datum vor. Es wäre schön, wenn viele ehemalige Lauenburger
an diesem Fest teilnehmen würden.

Noch ein Hinweis:
Claus Dietrich Schmidt, der an der Idee, Paul Nipkows Geburtstag in Lauenburg/Lebork zu feiern, massgeblich beteiligt ist,
hat gerade sein neues Buch veröffentlicht und es im dortigem Museum vorgestellt:

„Paul Nipkow, Erfinder des Fennsehens (1860-1940)
Sein Leben für den technischen Fortschritt“

Herausgeber:
Muzeum Lebork, 84-300Lebork
ul. Mlynarska 14-15
Tel: 0048-59862241ISBN 978-83-915885-9-8

Paul Nipkow

„Vater des Fernsehens“

Das Fernsehen ist durch seine magische Anziehungskraft, die in seiner unbeirrbaren Anschaulichkeit liegt, zum mächtigsten Kommunikationsmittel unserer Zeit geworden. Doch wer Fernsehen schaut, denkt dabei gewiss nicht an den Erfinder dieses Mediums und an seine Entwicklungsgeschichte. Den Grundstein legte vor 120 Jahren der Ingenieur Paul Julius Gottlieb Nipkow.
In der hinterpommerschen Kreisstadt Lauenburg wurde er am 22. August 1860 geboren. Sein Vater war der Bäckermeister Friedrich Wilhelm Nipkow, der später auch Stadtverordneter und in seinen letzten Lebensjahren Landtagsabgeordneter war.
Nach Familienberichten war Paul Nipkow als Kind leicht zu führen und beschäftigte sich gern mit Spielzeug, das er selbst bastelte. Sein Leben lang blieb das Basteln seine Lieblingsbeschäftigung.
Auf dem Progymnasium seines Geburtsortes wie auch später auf dem Kgl. Vollgymnasium im 40 km entfernten Neustadt – im damaligen Westpreußen – war Nipkow ein mäßiger Schüler. Nur in Mathematik und Physik glänzte er mit besten Leistungen. Doch das waren zu jener Zeit nur Nebenfächer, die man nicht für besonders wichtig hielt. Schließlich bestand er 1882, mit 22 Jahren, das Abitur und bekam im Fach Physik das Prädikat „vorzüglich“. Das Nächstliegende war für den jungen Nipkow, an der Friedrich-
Wilhelm-Universität in Berlin Naturwissenschaften bei dem bedeutenden Physiker Professor Hermann von Helmholtz zu studieren und anschließend an der Technischen Hochschule in Charlottenburg bei Professor Adolf Slaby Elektrotechnik.
Bereits als Primaner hatte sich Nipkow bei einem befreundeten Lehrling des Postamtes in Neustadt eines der neu eingeführten Bell’schen Telefone – das einzige, das in der Stadt vorhanden war – für eine einzige
Nacht „zum Studium“ ausgeliehen. Die Zeit genügte ihm zum Nachbau eines Telefons. Am nächsten Morgen erhielt die Post ihr Telefon rechtzeitig zurück. Bei dieser Arbeit kam Nipkow zum ersten Mal der Gedanke, dass – wenn man mit Schallwellen Worte übertragen konnte – es auch möglich sein müsste, Bilder auf elektrischem Wege weiterzugeben. Das war eine Idee, die nicht sofort umzusetzen war, die ihn je- doch nicht mehr losließ.
In Berlin wohnte der junge Student in einem sehr einfachen Hinterzimmer im Norden der Stadt. Da sein Vater während der Abiturarbeiten verstorben war, musste er sich den Lebensunterhalt selbst verdienen. Dank seiner musikalischen Begabung spielte er abends in Gastwirtschaften Klavier, überwiegend Kompositionen von Schubert, Chopin und Schumann. Doch reichte das geringe Entgelt nicht für die Fahrtkosten nach Lauenburg, um das Weihnachtsfest 1883 bei seinen Angehörigen zu verbringen. Einsam in seiner kümmerlichen Studentenbude, beschäftigte sich Nipkow am Heiligen Abend wieder einmal mit der Vorstellung, Lichteindrücke – also Bilder – zu übertragen, und es gelang ihm, einen Apparat zu konstruieren zu dem Zweck, ein am Ort A befindliches Objekt an einem beliebigen anderen Ort B sichtbar zu machen und nannte diesen „ elektrisches Teleskop“.
Das Merkmal seiner Erfindung war die Spirallochscheibe, mit der die Voraussetzung für eine mechanische Bildzerlegung eines fernzuübertragenden Bildes und eine Wiederzusammensetzung desselben geschaffen war. Damit hatte Nipkow die Grundidee des Fernsehens entdeckt.
Die Scheibe ist als „ Nipkow-Scheibe“ weltweit bekannt geworden: the Nipkow disk, le disque de Nipkow, el disco de Nipkow, disk Nipkowa u.ä.
Später konnte man Empfangsgeräte mit Nipkow-Scheibe in den technischen Museen in Berlin, München, London, Oslo und Stockholm besichtigen.
Schon am 6. Januar 1884 hatte Nipkow auf Drängen seiner damaligen Freundin und späteren Ehefrau Sophie Colonius das „ elektrische Teleskop“ beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin zum Patent angemeldet, das unter DRP Nr. 30105 in der Klasse 21 „ Elektrische Apparate“ erteilt wurde. Die Freundin war es auch, die die Anmeldegebühr in Höhe von 25 Mark vorstreckte. Die Erfindung technisch und kaufmännisch auszuwerten, dazu fehlte das Geld. Schon nach einem Jahr konnte Nipkow die Gebühr für den Schutz seines Patentes nicht mehr aufbringen. Das Patent verfiel, so dass auch andere Erfinder die Nipkow-Scheibe für ihre Experimente verwenden konnten. Aber Nipkows Erfindung war ihrer Zeit so weit voraus, dass – bei dem damaligen Stand der Technik – in den folgenden Jahrzehnten niemandem eine Weiterentwicklung des Fernsehens gelang.
Viele Jahre später erklärte Nipkow einem interessierten Journalisten die Funktion seiner Erfindung wie folgt: „ Es ist ganz einfach, nur eine runde Scheibe, an deren Peripherie eine spiralförmige Reihe von kleinen Löchern angebracht ist. Will man nun einen Gegenstand ‚ fernsenden‘, so wird eine Art Kamera vor die sich drehende Scheibe gestellt. Auf diese Weise wird das Bild in winzige Block-Sekundenbruchteile aufgelöst, sozusagen von den Löchern abgetastet. Nun tritt das Selen, ein 1817 entdeckter chemischer Grundstoff, in Aktion. Eine Selenzelle ist hinter der Scheibe angebracht, so dass die helleren und dunkleren Punkte des Bildes durch die Löcher auf das Selen wirken und seinen elektrischen Widerstand abschwächen oder verstärken. Diese Stromstöße werden zum Empfänger geführt, wo eine genau in demselben Tempo laufende Lochscheibe sich vor einer besonderen Lichtquelle dreht, die im Rhythmus der ankommenden Stromstöße flackert und ihr Licht auf eine Projektionsfläche wirft, auf der die einzelnen
Bildpunkte sich dann wieder zum Bild zusammensetzen!“
Nachdem Nipkow in einer Fachzeitschrift über seine Erfindung berichtet und auch mehrere Vorträge gehalten hatte, konzentrierte er sich nur noch auf den Abschluss seines Studiums. Doch die Fachwelt war auf ihn aufmerksam geworden. Als Ingenieur bei der Berliner Eisenbahn-Signalbauanstalt konstruierte er mit viel Engagement automatische Sicherheitsvorrichtungen. Zudem gelangen ihm in seiner Freizeit mehrere Erfindungen. Besonders gern bastelte er Flugzeugmodelle, die überall in der Wohnung zu seiner und seiner Kinder Freude herumhingen. 1897 / 98 erhielt er zwei Patente über ein so genanntes „Insektenflugzeug“, das als Vorgänger des Hubschraubers bezeichnet werden könnte. Als Nipkow im Jahre 1924 von den ersten praktischen Vorführungen einer Fernseheinrichtung nach seiner Grundidee durch Prof. A. Karolus an der Universität Leipzig erfuhr, beschäftigte er sich erneut mit dem Fernsehen. Er unterbreitete den Vorschlag, für den Gleichlauf der Spirallochscheibe Synchronmotoren auf der Sende- und Empfangsseite zu verwenden. Da bei den Elektrizitätswerken sogar über Ländergrenzen die Netze zusammengeschaltet waren, mussten auch die Netzfrequenzen überall gleich sein. Für diese „Idee des Weltsynchronismus“ erhielt Nipkow 1924 das Patent DRP Nr. 498415. 1930 erwarb eine deutsche Firma der Elektro-industrie dies Patent für 10.000.–Reichsmark.
In den 20er Jahren haben neben Nipkow auch andere Techniker Versuche für eine Verbesserung des Fernsehens unternommen, die die deutsche Reichspost unterstützte. Nachdem sie dem aus Ungarn stammenden Physiker Denes von Mihaly eine Leitung von 2,5 km Länge zur Verfügung gestellt hatte, wurde erstmals ein Bild nach dem Nipkow-Verfahren übertragen. So konnte auf der Großen Deutschen Funkausstellung 1928 – vor genau 75 Jahren – eine Bildübertragung mit Nipkow-Scheiben der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Am 22. August 1930, seinem 70. Geburtstag, ernannten der Allgemeine Deutsche Fernsehverein in Berlin und das „Institut de Télévision“ in Brüssel Nipkow zum Ehrenmitglied. Dennoch steckte die Entwicklung des Fernsehens in den Kinderschuhen. Zu den in den folgenden Jahren erreichten Verbesserungen hat abermals die Deutsche Reichspost viel beigetragen, so dass bis 1933 die Bildqualität für die damaligen Ansprüche als befriedigend galt.1931 begleiteten bereits Tonübertragungen die bewegten Bilder. Anfang der 30er Jahre führte Manfred von Ardenne die Braunsche Röhre für die Bildabtastung ein, mit der die Präzision des Bildes auf ein Niveau erhöht werden konnte, wie es für das spätere Schwarz-Weiß-Fernsehen Norm war. Am 22. März 1935 nahm der erste öffentliche Programmdienst der Welt in Berlin seinen Sendebetrieb auf. Den Wegbereiter des neuen Mediums ehrte man, indem der erste Fernsehsender die Bezeichnung „Fernsehsender Paul Nipkow“ erhielt. Darüber hinaus ernannte die „Fernseh-gemeinschaft der Reichsrundfunkkammer“ Nipkow zum Ehrenpräsidenten.
Zu seinem 75. Geburtstag 1935 schenkte die Reichsrundfunk-Gesellschaft dem Geburtstagskind seinen ersten Fernsehapparat, und der Deutsche Rundfunk gewährte einen Ehrensold, der für Nipkow nach 50 Jahren der erste materielle Nutzen seiner Erfindung war. Ferner zeichnete die Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt Paul Nipkow als „ Schöpfer grundlegender Gedanken für die Fernsehverfahren“ mit der Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaften aus.
Ein Brand auf der Berliner Funkausstellung brachte den Fernsehbetrieb im August 1935 zum Erliegen. Aber schon am 23. Dezember stand ein neuer Sender zur Verfügung, der am 15. Januar 1936 feierlich in Betrieb genommen wurde.
Seinen Durchbruch erlebte das neue Medium schließlich 1936 mit Direktübertragungen der Olympischen Spiele aus Berlin, die ca.150.000 Menschen in den Fernsehstuben in Berlin und Leipzig verfolgen konnten. Von einem öffentlichen Fernsehen war noch keine Rede; denn es gab in dieser Zeit gerade mal 50 Empfangsgeräte in Berlin und einige in Leipzig. Im privaten Wohnzimmer wurde das Fernsehen – Parteifunktionäre ausgenommen – noch nicht eingesetzt. Doch standen die bereits eingerichteten Fernsehstuben auch nach Beendigung der Olympiade der interessierten Bevölkerung offen.
1937 würdigte die Stadt Lauenburg Paul Nipkow, den berühmten Sohn einer hier alteingesessenen Familie, mit der Ehrenbürgerschaft. Der letzte deutsche Bürgermeister Lauenburgs, Kruse, überreichte ihm den Ehrenbürgerbrief in seiner Wohnung in Berlin-Pankow, Parkstraße 12 a, am 22. Mai 1937. Einige Jahre zuvor hatte schon eine Straße in Lauenburg den Namen des allseits geschätzten Fernsehpioniers Paul Nipkow erhalten.
Am 1. Januar 1937 wurde die Reichspost-Forschungsanstalt gegründet. Sie sollte zusammen mit der Industrie die Voraussetzungen für die Freigabe des Fernsehens an eine breite Öffentlichkeit schaffen.
Der Ausbau des Fernsehens schien gesichert. Noch im Sommer 1939 war ein erstes Fernsehempfangsgerät mit einem 19,5 mal 22,5 Zentimeter großen Bildschirm entwickelt worden, das auch für den Empfang in Wohnungen geeignet war .Der Kriegsausbruch verhinderte aber die geplante Massenproduktion.
Aus demselben Grunde stellte auch der im April 1939 in Betrieb genommene Fernsehsender auf dem Brocken seinen Versuchsbetrieb zur Jahresmitte wieder ein. Die Fernsehstuben blieben vorerst noch erhalten. Die übrigen wenigen Fernsehgeräte, die zur Verfügung standen, wurden zu Beginn des Krieges in den Berliner Lazaretten zur Unterhaltung der verwundeten Soldaten aufgestellt.
Das Jahr 1943 brachte das Ende der Programmausstrahlung. Letztlich zerstörten Brandbomben 1944 den Fernsehsender.
Nach 9 Jahren, am 21. Dezember 1952, konnte endlich das Öffentliche Fernsehen in der Bundesrepublik
Deutschland wieder aufgenommen werden. Die Deutsche Demokratische Republik folgte 1955.

Der bereits kränkelnde Paul Nipkow konnte noch am 22. August 1940 seinen 80. Geburtstag begehen, zu dem sich viele Gratulanten eingefunden hatten. Doch überstiegen wohl Freude und Aufregung seine Kräfte. Er stürzte in seiner Wohnung und verstarb 2 Tage später im Krankenhaus.
Mit einem Staatsbegräbnis – dem ersten für einen deutschen Ingenieur – wurde Nipkow auf dem Friedhof in Pankow beigesetzt. An dem Haus Uferstraße 2 in Berlin, wo er von 1897 – 1902 wohnte, erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Seit dem 12.April 1951 trägt eine Straße in Adlershof/Treptow seinen Namen. Aus Anlass seines Geburtstages vor 100 Jahren würdigte die Deutsche Bundespost Nipkows Verdienste für die Entwicklung des Fernsehens in einer ausführlichen Pressemitteilung mit Bildern. Zur Internationalen Funkausstellung 1983 war sein Name auf dem Sonderpostwertzeichen „100 Jahre Fernsehtechnik“ gedruckt.
Nipkows Geburtsort Lauenburg in Hinterpommern ist am Ende des II.Weltkrieges stark zerstört worden. Wie durch ein Wunder überstand das Haus Nipkow in der Mühlenstraße, das anstelle des alten Geburtshauses in den Jahren 1910/11 erbaut wurde, den großen Brand im März 1945. Die heutige polnische Stadtverwaltung ließ eine Erinnerungstafel anbringen, leider nur in polnischer Sprache. Hier befindet sich heute ein Museum mit zahlreichen Gegenständen aus deutscher Zeit. Im Dachgeschoß ist eine Nipkow-Gedenkstube eingerichtet. Auf Knopfdruck dreht sich sogar eine Nipkow-Scheibe.
Wie so oft in der Geschichte der Entdeckungen und Erfindungen haben mehr oder weniger Techniker ihren Beitrag zu einem Projekt geleistet. Doch war unser Landsmann Paul Nipkow derjenige, der mit der Konstruktion der Nipkow-Scheibe den Grundstein für die Weiterentwicklung des Fernsehens gelegt hat.
Zweifellos zählt er zu den bedeutenden pommerschen Erfindern, deren geniale Ideen den technischen Fortschritt befruchtet haben.
Mit Recht kann Paul Nipkow „Vater des Fernsehens“ genannt werden.

Irmtraud Holzinger ( 2003 )

Literatur:
Joachim Kniestedt: „Wenn Nipkow nicht gewesen wäre..“ – aus: „Pommern –Kunst-Geschichte-Volkstum“ 1990
Dietrich Lewinski: „Große pommersche Erfinder und ihre Patente“- aus: „Beiträge zur Greifenberg-Treptower
Geschichte“
Helmut Graumann: „50 berühmte Deutsche aus Pommern“
Heimatbuch Lauenburg , Beitrag: „Paul Nipkow – Ein Erfinderschicksal“